Violence is our Only Option


Brief English version below.

Wie weit würdest du gehen, um für deine Freiheit zu kämpfen? Würdest du zu hochgefährlicher Gewalt greifen, in dem Wissen, dass Unschuldige (oder sogar du selbst) dafür mit ihrem Leben bezahlen könnten?
Diese Fragen stellt man sich nun. Und wenn die Antwort zu der letzten Frage „nein“ lautet, dann folgt daraus nun das Entsetzen, wie um Himmels Willen es dazu hatte kommen können, dass ein sechzehnjähriger Junge sich dazu getrieben sah, Bomben zu legen, um seinen revolutionären Willen erreichen.

Wer meinen Hintergrundartikel zu Corbo gelesen hat, der weiß vielleicht, dass ich mich in den letzten Tagen - seit ich die Beschreibung für Corbo zum ersten Mal gelesen hab - sehr für das Thema der stillen Revolution in Kanada begeistern konnte und generell sehr angetan war von dem, was ich aus den Pressemitteilungen herausgefunden hatte. Allerdings hatte ich dadurch auch extrem große Erwartungen (was zugegebenermaßen meist nicht gut ausgeht, da die Filme diesen Erwartungen dann häufig eben leider doch nicht gerecht werden können).
Ganz im Gegenteil verhält es sich allerdings mit Corbo. Dieser Film konnte mich trotz meiner immens hohen Erwartungen beeindrucken.

Das Thema ist zwar hart, aber doch auch hochspannend. Jean Corbo, der Protagonist, lebt als Frankophoner mit halb-italienischer Abstammung in Québec und weiß von den vielen Problemen, die die Frankophonen auf Grund ihrer Sprache in dem von Anglophonen regierten Land haben, obwohl er selbst aus sehr gutem Hause stammt (und daher eigentlich nicht direkt betroffen ist). Dennoch fühlt er sich mit der frankophonen Arbeiterklasse verbunden, die sehr unter der englischsprachigen Minderheit zu leiden hat. Die frankophonen Bürger erhalten seltener eine Gehaltserhöhung, werden in vielerlei Hinsicht diskriminiert und müssen akzeptieren, dass die offizielle Arbeitssprache Englisch ist.
Zu diesen Ungerechtigkeiten kommt für Corbo persönlich noch seine italienische Abstammung hinzu, durch die er nicht ganz zu den Frankophonen dazugehören kann. In der Schule wird er deswegen diskriminiert. Dieser Ungerechtigkeit möchte er sich nicht länger fügen. Er sucht einen Weg, wie er die Dinge ändern kann.

Auch sein Bruder möchte unbedingt die Unabhängigkeit Québecs erreichen, doch sieht er seine Möglichkeiten eher in einer demokratischen Weise als in der offensichtlich terroristischen Art, die die FLQ verfolgt. In Corbo kann man sehr gut den Unterschied der beiden Möglichkeiten verfolgen und wie Jean schließlich zu dem Schluss kommt, dass nur Gewalt hier noch helfen kann, da er miterlebt, wie erfolglos sein Bruder ist.

Corbo ist die ganze Zeit über sehr spannend, gefüllt von heftigen Wortgefechten von Vater und Sohn, Jean und seinem Lehrer, Anfeuerungsreden der Anführer der FLQ und berührenden Weisheiten von Jeans Großvater.
Wenn die Worte einmal schweigen, wird schöne Musik gespielt, um die Situationen zu untermalen. In erster Linie Jazz, doch auch italienische Opernstücke. Ich muss hier vor allem an eine bestimmte Situation denken, in der der dramatische Höhepunkt des Films von einem Opernstück, in dem über die Nacht gesungen wird, begleitet wird, ein Opernstück, das so ruhig wirkt und in starkem Kontrast zu dem Gezeigten steht und dennoch seine Wirkung nicht verfehlt.

Die Schauspieler haben mir sehr gut gefallen und generell muss ich feststellen, dass die Machart des Films mich begeistert hat. Corbo könnte aufgrund eben dieser Machart auch ein Kinofilm sein (wenn auch ein sehr krasser mit einem sehr ernstzunehmendem Hintergrund). Tatsächlich berichtete mir der Regisseur Mathieu Denis später, als ich ein Interview mit ihm führte, dass der Film glücklicherweise tatsächlich in die Kinos kommen wird (zumindest in Kanada).

Das Einzige, was ich ein wenig schade finde, ist in der Tat, dass überhaupt nicht auf die Demonstrationen eingegangen worden sind. Sicher, ich kann den Regisseur in seiner Argumentation total nachvollziehen, dass dies den Filmfluss gestört hätte, doch denke ich, dass für Leute, die sich nicht sonderlich mit der damaligen Situation in Québec auskennen - was zugegebenermaßen auf die meisten aus dem Publikum zutreffen wird - eine gewisse Einbindung in den Kontext sinnvoll gewesen wäre. Dies war durch die alten Fernsehaufnahmen, die eingeblendet wurden, zwar definitiv der Fall, doch machte es im Film den Eindruck, als würde die FLQ nur aus zehn Leuten bestehen, was, denke ich, nicht der Wahrheit entsprach.

Alles in allem also ein sehr schöner, dramatischer Film mit einer ernsten Thematik, die einen zum Denken anregt, ob man selbst zu solchen Schritten bereit gewesen wäre. Corbo ist nur zu empfehlen.

How far would you go fighting for your freedom? Would you choose to use violence although you know exactly that you might hurt others or even yourself?

As those of you who have read my previous article regarding the movie Corbo might know I had extremely high expectations on the movie. But Corbo actually managed to surprise me by fulfilling my expectations.

The film is full of tension and suspense, but also of amazing discussions and battles of words, enlivening speeches of the leaders of the FLQ and words full of wisdom by Jeans grandfather. When the discussions stop the music sets in, mostly Jazz but also Italian opera songs. The music is quite well chosen. I liked it.
Interesting to see is the difference between Jean and his brother. Both wanting to free Québec they still have two completely different ways in approaching their dreams. Jeans brother chooses the democratic way in going to demonstrations, voting, etc. while Jeans sees that everything his brother does does not change a thing so he goes for the violent way.

The only negative thing about the movie that I can think of is that these demonstrations are not included. I think this might be essential since you need to see that there are also other people trying to change something but simply having no success so that you can understand what reasons Jean Corbo and his friends had by using violence. The director Mathieu Denis explained pretty well why he did not want to do this (it would have disturbed the fluentness of the film) and I do understand this but I also think that people who are not that much into this topic might not understand.

To conclude I did like this movie a lot because of the tension, the battles of words, the music and the whole way it was made. Also it is impossible to not say that the actors did a great job. So I definitely recommend the movie to you.


10.02.2015, Sarah Gosten

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