Ein gespaltenes Publikum und Magenschmerzen

English version below

Flocken


Ein durch und durch düsterer Film. Absichtlich jeden Tag im Zwielicht Schwedens gedreht zählt „Flocken“ von Beata Gårdeler zu den schwer verdaulichen Filmen dieser Berlinale. Als der Abspann beginnt, sind die Gemüter gespalten. Mehr als sonst verlassen vorzeitig den Saal, der Rest bleibt wie vom Donner gerührt sitzen.

Fast zwei Stunden begleiten wir zwei Teenager, die in einem schwedischen Dorf wohnen und von den Erwachsenen vollkommen im Stich gelassen werden. Jennifer (Fatime Azemi) beschuldigt Alexander (John Risto), sie vergewaltigt zu haben. Doch in dem kleinen Dorf möchte das keiner wahr haben. Die Situation spitzt sich zu.

Mit schräger Musik und dunklen Bildern beginnt der Film. Wer noch keine Inhaltsangabe gelesen hat, bekommt spätestens jetzt eine Ahnung, wie der Film weitergehen wird. Nicht einmal die Hochzeit ist so fröhlich und unbeschwert dargestellt, wie wir sie normalerweise erwarten würde. Stattdessen wird die Hochzeitstorte durch eine Metzgerei getragen, die den ganzen Film über mit erschreckenden Bildern erneut aufgegriffen wird. Als Symbol für die Grobschlächtigkeit der Dorfbewohner? Die Blutrünstigkeit? Das kann jeder für sich entscheiden.

Den ganzen Film über werden die Dorfbewohner unsympathischer. Statt einmal die Kinder zu fragen, welche Version stimmt, statt sich mit ihnen hinzusetzen und die ganze Angelegenheit damit zumindest klarer zu machen, richtet sich alles gegen Jennifer und die wenigen, die noch zu ihr halten. Es geht längst nicht mehr um die Frage, was Wahrheit und was Lüge ist. Es geht ihnen ums Prinzip. Sie wollen einfach nicht glauben, dass in ihrem Dorf so etwas passieren kann. Und genau hiermit trifft „Flocken“ genau ins Schwarze. Hier lässt sich die Geschichte ganz leicht auf so viele Situationen in unserer Welt übertragen, die nicht nur sexuellen Missbrauch betreffen, sondern viel weiter reichen. Das macht diesen Film auch so schwierig zu verdauen. Er ist ein Augenöffner in so vielen Hinsichten. Ob es nun darum geht, dass die Jugendlichen in ihrer Situation so vollkommen allein gelassen wurden oder dass die Menschen die Augen vor dem Schlimmsten absichtlich verschließen. In „Flocken“ wird so viel thematisiert, über das niemand sich Gedanken machen möchte.

Die etlichen Längen, die dieser Film aufweist, wenn mal wieder viele ruhige Bilder gezeigt werden, sind für mich im Nachhinein etwas positiver. Sie helfen dem Zuschauer, bereits beim Film mehr Zeit zum Nachdenken zu haben. Man bekommt nicht Schlag auf Schlag die Fakten serviert, sondern wird langsam immer weiter in die verdrehten Ereignisse geführt.

„Flocken“ hat mich umgehauen. Man braucht definitiv etwas länger, um sich ordentlich mit diesem Film auseinander setzen zu können. Allerdings ist es das definitiv wert. Ich würden diesen Film ausnahmslos jedem empfehlen. Er wird nicht jedem gefallen. Tatsächlich wird die Quote derjenigen, denen „Flocken“ nicht gefällt, sehr hoch sein. Allerdings ist es in meinem Augen notwendig, sich über diese Thematik Gedanken zu machen, und dafür ist „Flocken“ perfekt geeignet.


A torn audience and a stomachache - Flocking

A thoroughly gloomy movie. Intentionally set in Sweden's twilight, "Flocking" by Beata Gardeler is on of the hard-to-digest movies of this Berlinale. When the closing credits begin, the audience is torn. More people than usual leave the cinema hall early, the rest stays put, thunder-struck.

For almost 2 hours we accompany two teenagers who live in a Swedish town and are being left alone by the adults. Jennifer (Fatime Azemi) accuses Alexander (John Risto) of raping her. But none of the town citizens wants to believe it.

The movie starts off with out-of-tune music and dark scenes. Not even the wedding is happy and carefree. Instead, the wedding cake is carried through a butchery. That butchery comes back a lot throughout the whole movie. As a symbol for the coarseness of the villagers? The blood thirst? Everybody can decide that for themselves.

Throughout the movie the villagers become even more unappealing. Instead of asking the kids, everyone just turn against Jennifer and those who are still standing by her side. It is not about truth und lie anymore. It is about their principles. They do not want to believe something like this can happen in their village. And that is where "Flocking" is hitting the mark. This is is where you can transfer the story to so many other situations in our world. This is what makes this film so hard to digest. It is an eye opener in many ways. "Flocking" addresses so many things nobody wants to think about.

All the lengths in this movie were a good thing, in my view. The help the viewer to already think a lot during the movie. They are not served on fact after the other, but are slowly introduced to the twisted events.

"Flocking" blew me away. You definitely need quite some time to deal with this film. But it is definitely worth it. I would recommend this movie to everybody, no exceptions. Not everyone will like it. Actually the number of people who will not like it will be pretty hight. However, in my view it is necessary to think about all these topics, and "Flocking" is the perfect movie for that.


09.02.15, Johanna Gosten

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